Was tun gegen Flächenfraß?

von Martin Leipert

Überall wachsen Gewerbe- und Neubaugebiete in die Landschaft. Ein Ärgernis und hochaktuell – überall im Land. Der Flächenfraß bewegt die Leute, das zeigen mehrere Bürger*innenbegehren gegen Neubau- und Gewerbegebiete. Nur ist die Nachfrage nach Bau- und Gewerbeland ungebrochen. Ein Dilemma aus dem wir nicht ohne weiteres hinauskommen. Oder vielleicht doch?

Die Causa BayWa

Forchheim im Jahre 2019: Der Goldesel Forchheims (Siemens Healthineers) möchte erweitern. Im Weg steht: Die BayWa, die jedoch bereit ist zu weichen. Nur wohin? Ein neues Gelände muss her. Nach reiflicher Überlegung und mangels Alternativen entscheidet sich der Bauauschuss einstimmig für eine Fläche bei Sigritzau. Ein Acker, genutzt für Monokulturen, gegenüber des Gewerbegebietes Sandäcker. Pferdefuß: Die Nähe zum Ort Sigritzau und eine Eintragung als „ökologisch wertvoll“ im Flächennutzungsplan. Trotzdem fällt der Beschluss mit großer Mehrheit. Hier könnte die Geschichte zu Ende sein, käme nicht ein neuer Akteur dazu: Ein heldenhafter Journalist mit der Mission Sigritzau zu retten. Als dieser beginnt gegen den Standort anzuschreiben. Kurz darauf springen diverse Stadtratsfraktionen auf den Zug auf und der BUND Naturschutz. Flugs ist ein Bürgerbegehren organisiert. Der Standort kippt. Sigritzau bleibt schnuckelig und die ökologisch wertvolle Monokultur darf auch bleiben.

Sigritzau mit dem ehemals angedachten BayWa-Standort im Vordergrund

Blöderweise stellen alle fest: Wirklich gute Alternativen gibt es nicht. Zieht die BayWa um, muss so oder so Boden versiegelt werden. Andererseits bergen alle Alternativstandorte ebenso Pferdefüße wie der Standort Sigritzau. An den diskutieren Alternativstandorten befinden sich Baumschulkulturen oder eine Wiese auf der, Behauptung einer Stadträtin, der geschützte Wiesenknopf-Ameisenbläuling vorkommen würde. Damit gäbe es dort vermutlich noch mehr Insektenarten die zu schützen wären, der Standort wäre raus. Am Ende muss der – dort möglicherweise lebende – Wiesenknopf-Ameisenbläuling doch weichen. Die BayWa zieht in sein Domizil, weg von Sigritzau, aber ob der Standort nun so viel besser ist als der bei Sigritzau, liegt im Auge des Betrachters. Am Ende des Jahres erscheint der Heldenepos von der Verhinderung des BayWa-Standortes in der Zeitung. Ohne den zuletzt erwähnten Pferdefuß versteht sich. Doch werfen die Vorgänge ein Schlaglicht auf den Flächenverbrauch, der dem rasante Wachstum der letzten Jahre ein Ende setzt. Kein spezifisches Forchheimer Problem, sondern eines aller Boomregionen im Freistaat Bayern.

Volle Stadt, Leeres Land

Bayern ist zweigeteilt, auf der einen Seite die Boomregionen in denen nicht Auch im Landkreis Forchheim ist die Situation nicht überall so wie in Forchheim. Gewerbegrundstücke in der Fränkischen Schweiz finden nur schwerlich Abnehmer. Die Ortschaften sind froh, wenn sie Arbeitsplätze halten können. Währenddessen wandert die Bevölkerung ab, der Arbeit hinterher in die Städte. Oder in deren Peripherie, wo Bus- und Bahnanbindung deutlich besser sind. Diese Spaltung in Verlierer- und Gewinnerregion läuft auch mitten durch den Landkreis Forchheim. Während das Regnitztal boomt, liegt die Fränkische Schweiz im Dornröschenschlaf. Grund dafür sind auch fehlende Bus- und Bahnanbindungen. Wer in Gräfenberg Zuzügler nach dem Grund für den Umzug nach Gräfenberg fragt, dem wird häufig die Bahn und das Freibad genannt. Denn mit der Bahn ist der Arbeitsplatz noch zu erreichen. Die Infrastruktur entscheidet. Das selbe gilt auch für Unternehmen, die einen Standort suchen. Eine Lösung des Flächenfraßes ist ohne eine bessere Infrastruktur im ländlichen Raum nicht zu schaffen.

Ortstzentren beleben

Doch mit der alleinigen Verlagerung des Flächenproblems nach draußen wäre es noch nicht getan. Der härtere Brocken stünde noch bevor. Den klassische Lebensentwurf des beginnenden 21. Jahrhunderts zu ändern. Der sieht etwa so aus: Beruf erlernen, Heiraten, Traumhaus bauen, Kinder kriegen. Zweiteres und letzteres sind dabei inzwischen optional, aber auch als Paar lebt es sich im Häuschen einfach besser. Einfamilienhäuser fressen, so verraten es Statistiken, weit mehr Fläche als Gewerbegebiete. Die Lösung läge eigentlich auf der Hand, denn leerstehenden Wohnraum gäbe es auf dem Land zu Genüge. Nur das ist mitunter sogar teurer als neu bauen und obendrein entsprechen die Altbauimmobilien nicht den individuellen Vorstellungen junger Häuslebauer*innen. Hinzu kommt dann mintunter noch der Denkmalschutz. Gott sei Dank gibt es dennoch Enthusiasten die sich den Sanierungen annehmen. So wie z.B. die Gräfenberger Altstadtfreund.

Wohnen mit stilvollem Stadtmauerrest im frisch sanierten Gräfenberger Meßnerhaus

Dennoch lohnt es sich die Sanierung von Ortskernen zu forcieren. Hofheim in Unterfranken liegt weit ab größerer Städte in einer ländlichen Gegend. Hofheim hat aufgehört Neubaugebiete auszuweisen um damit „junge Leute anzuwerben“ wie es allzu oft in Kommunalwahlprogrammen steht. Dennoch ist die Einwohnerzahl konstant geblieben. Gemeinsam mit Nachbargemeinden hat die Gemeinde die Hofheimer Allianz gegründet. Gegen Leerstand und Flächenfraß. Mit aktiver Vermarktung von Leerständen, Beratung und finanzieller Unterstützung ist den Hofheimern ein Erfolg gelungen von dem andere lernen können. Nebenbei spart sich Hofheim auch neue Straßen und Kanäle die in vierzig, fünfzig Jahren saniert werden müssen. Finanziell macht sich Flächensparen auch für die Gemeinde bezahlt. Auch wenn es anfangs erst einmal Kosten verursacht.

Geschosswohnungsbau

Doch in einer bereits dicht besiedelten, weiter wachsenden Stadt mit wenig Leerstand, wie es Forchheim ist, wird dieses Konzept kaum anzuwenden sein. Hier heißt es, die vorhandene Fläche so gut wie möglich nutzen. Weniger Einfamilienhäuser, mehr Geschosswohnungsbau. Auch wenn das für einige „Ghettoisierung“ ist, so ist es doch eine effektive Maßnahme. Eine andere könnte es sein, mehr altersgerechte Wohnungen für Senior*innen zu schaffen. Dann wären manche bereit ihre große Wohnung oder das Häuschen abzugeben. Überhaupt ist das Angebot an Wohnraum für Singles in Stadt und Landkreis Forchheim knapp. Mit der Folge, dass diese in eigentlich zu große Wohnungen ziehen.

Dennoch: Der Handlungsspielraum der Stadt Forchheim ist warscheinlich geringer als der der Landgemeinden. Letztere bräuchten allerdings mehr Mittel und eine bessere Anbindung um ihren Teil zum Kampf gegen Flächenfraß beizutragen.

Flächensparende Gewerbeimmobilien

Gewerbeimobilien sind meist ziemlich verschwenderisch angelegt. Eine große Parkfläche für die Mitarbeiter und ein völlig ungenutztes Flachdach. Ein oder zweistöckige Bürotrakte, ebenerdige Lager- und Produktionshallen, das alle braucht Fläche, ist aber billiger für die Firmen. Am Beispiel der PKW-Stellplätze sieht man allerdings auch: Das ist teuer. Stellplätze in einem Parkhaus sind fünf mal so teuer wie ebenerdig. Klar am besten wäre es die Mitarbeiter kämen mit dem ÖPNV, sofern es diesen denn auch gäbe… Ein Zwang zum Flächensparen über das Baurecht wäre zumindest machbar. Auch große, mehrstöckige Mietimmobilien mit flexibler Aufteilung wie das Medical Valley Center können beim Flächensparen helfen.

Aufbau eines typischen Gewerbegebietes: Große Hallen (Fa. Waasner in den Sandäckern)

In Parsberg in der Oberpfalz hat die Stadt die Einkaufsmärkte weg vom Ortsrand geholt. Drogerien und Suppermärkte bringen Kundenfrequenz auch in die kleineren Geschäfte der Innenstadt. Nebenbei erspart das große, leerstehende Parkplatzflächen im Außenbereich, benötigt aber auch geeignete Immobilien in der Innenstadt. Eine Verlagerung der Forchheimer Großmärkten wie Globus, Freßnapf, Expert oder Schuh Mücke in die Innenstadt machbar wäre? Wohl kaum, denn dafür sind diese schlicht zu groß. Aber zumindest Gedanken darüber kleinere Geschäfte im Zentrum zu ballen muss man sich wohl machen. Auch hier gibt es leider keine Patentlösung.

Der Flächenfraß wird Thema bleiben

So wird bei allen Bemühungen der Flächenfraß weiter bleiben. Denn das Konsumverhalten der Menschen bei Wohnraum, Einkaufen und Freizeit wird sich nicht von heute auf morgen ändern. Größere Wohnungen sind mit steigendem Einkommen ein für immer mehr Menschen bezahlbarer Luxus, die Stadt München mal ausgenommen. Auch das veränderte Einkaufsverhalten, also der Onlinehandel mit gigantischen Logistikzentren und LKW, die die Ware quer durch’s Land transportieren, erlauben keine ad-hoc Lösung. Bis Warentransport wiedr zurück auf die Schiene wandert, dürften noch Jahrzehnte ins Land gehen. Denn das Eisenbahnnetz ist bereits überlastet und in Zeiten des Klimaschutzes wächst auch die Zahl der Passagiere im Personenverkehr. Neue Trassen brauchen häufig Jahre bis Jahrzehnte von Planung bis Fertigstellung. Den wo weniger Platz ist, werden die Konflikte mehr. Und die werden inzwischen gern vor dem Verwaltungsgericht ausgetragen. Das kann dann schon mal ein Jahrzehnt dauern.

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