Rechtsextremismus im Landkreis Forchheim – Teil 1: Früher

von Martin Leipert

Rechtsextremismusproblem – haben wir nicht. Doch nicht hier in Forchheim oder Gräfenberg!

immer wieder mal gehört

Sicher ist der Landkreis Forchheim keine rechte Hochburg, wie manche Ecke in Sachsen, aber er war und ist ein Schwerpunkt rechter Aktivität. Schon lange bevor ein kleiner Größenwahn aus Heroldsbach und seine Schergen hier auftraten. Um vergangene rechte Aktivitäten der Nachkriegsgeschichte im Landkreis soll es hier gehen.

Rechte Terrorzelle in Ermreuth: Die Wehrsportgruppe Hoffmann

Als jemand der in Gräfenberg aufgewachsen ist, kenne ich die Wehrsportgruppe Hoffmann. Warum? Weil die Leute selbst nach über 30, ja sogar 40 Jahren noch über sie reden als wäre es gestern gewesen.

Die Wehrsportgruppe Hoffmann war nichts anderes als ein paramilitärischer Kampfverband. 600 Mann unter Waffen. Eine „rechte Privatarmee“ benannt nach ihrem „Führer“ Karl-Heinz Hoffmann. Einem Neonazi, der das Schloss in Ermreuth gekauft hatte. Diese „Privatarmee“ trainierte rund um Ermreuth, dessen Schloss Karl-Heinz Hoffmann gekauft hatte. Dort wohnt er übrigens nocht heute.

Die Wehrsportgruppe Hoffmann bestand von 1973 bis zu ihrem Verbot im Jahr 1980 durch FDP Innenminister Gerhard Baum. Auch damals schon meinte man in der CSU der Feind stünde links, die Wehrsportgruppe sei nicht „verfassungsgefährdend“ und sah keinen Grund diesen „harmlosen Spinner“ ein Haar zu krümmen. Kurze Zeit darauf ermordeten Mitglieder der Wehrsportgruppe Hoffmann Shlomo Lewin in Erlangen und verübten das Oktoberfestattentat, der bis heute schwerste Terroranschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Nazis wurden unterschätzt, verharmlost und zogen eine Blutspur durch das Land, das hat sich bis heute nicht geändert.

Die Naziaufmärsche von Gräfenberg

Gräfenberg, wie viele evangelische Orte in Franken, war in der Weimarer Zeit eine Hochburg rechter Parteien. Aus dieser Zeit stammt ein monumentales Kriegerdenkmal auf dem Michelsberg. Mit seiner Lage und einer stolzen Höhe von 11 Metern ist es ein weithin sichtbares Mahnmal. Während der Nazizeit war Gräfenberg Sitz der NS-Gauleitung. Das Archiv der Gauleitung brannte bei Kriegsende ab. Was in der Nazizeit in Gräfenberg geschehen war und an welchen Verbrechen die Gauleitung beteiligt war, das geriet in Vergessenheit. Ab 1999 war das Kriegerdenkmal Wallfahrtsstätte für Neonazis. Jährlich zum Volkstrauertag suchten etwas über 100 Nazis den Ort heim.

Die Gräfenberger versuchten das Naziproblem erst mittels Gegendemos oder Ignorieren los zu werden, doch nichts fruchtete. Auch eine Verpachtung des Denkmals an die Soldatenkameradschaft und ein erteiltes Hausverbot für die NPD nutzten nichts. Die NPD marschierte nun einfach auf den unterhalb liegenden Jägersberg. Im Jahre 2006 begann die NPD den Ort im Monats- und Wochentakt heimzusuchen. Alsbald gründete sich gegen die rechten Umtriebe das Gräfenberger Bürgerforum.

Die Neonaziaufmärsche habe ich als Gräfenberger von Anfang an mitbekommen, die Polizeipräsenz im Ort und die Polizeikontrollen. Überall um den Ort herum stand Polizei und meist waren es wohl mehr Polizisten als Nazis im Ort. Meine erste Gegendemo dürfte 2006 gewesen sein, auf den Demos war ich immer wieder. Die Reden auf der Kundgebung waren mir ziemlich egal, ich war nur dabei um „Nazis raus“ zu brüllen. Denn die wollte ich nicht im Ort haben. Nazis mochte ich nie, aber vor allem wurde Gräfenberg durch ihre Präsenz quasi lahmgelegt. Während der Zeit der Aufmärsche erlebte ich, wie ich auf dem einfachen, kurzen Weg zum Supermarkt mehrmals von Polizisten kontrolliert wurde. Wie ganz Gräfenberg mit Polizeihundertschaften zugestellt war. Stunden vor dem Aufmarsch. Wie sich die Nazis am Bahnhof sammelten. Die Aufmärsche selbst waren purer Terror gegen die Bevölkerung, die sich weigerte der rechten Propaganda eine Bühne zu geben.

Das Bürgerforum setzte dem etwas entgegen, Veranstaltungen, kreative Aktionen gegen die Aufmärsche, Zeitzeugengespräche, das Open Mind Festival und viel Widerstand gegen Rechts. Auch wenn ich das Bürgerforum damals noch nicht zu schätzen wusste, heute ist das anders. Das Bürgerforum musste jahrelang viel Kraft aufwenden um die Nazis loszuwerden. Mitglieder des Bürgerforums und unser damaliger Bürgermeister wurden bedroht, Rechte stellten die Namen und Adressen von Aktivisten des Bürgerforums ins Netz. Das Haus unseres Bürgermeisters wurde mit Farbbeuteln beworfen, beim Vorsitzenden des Bürgerforums wurden die Scheiben des Autos eingeschlagen, Buttersäure in den Hausflur gekippt und vor seiner Haustür ein Rechtsrockfestival veranstaltet.

2009 endete der rechte Spuk, die Nazis hatten sich totgelaufen. Zu den Naziprotesten kamen immer weniger Teilnehmer, bis die NPD Demonstration zu einem kleinen Häufchen Elend verkam.

Gott und dem Bürgerforum sei Dank waren die Rechten verschwunden. Ich hoffte für immer.

Bis 2015 dachte ich der Rechtsextremismus werde bald Geschichte sein, aber das sollte sich ändern. In Teil 2 der Serie werdet ihr erfahren welche rechte Umtriebe es momentan im Landkreis Forchheim gibt.

[Credits]

Bild Kriegerdenkmal Gräfenberg: Daniel Arnold unter GFDL und CC-BY-SA-2.0

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